Offener Brief an die Direktion der Berliner Verkehrsbetriebe
Berlin, den 23.9.09
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich nahm gestern gegen 18.30 Uhr die Buslinie 131 vom Spektefeld in Richtung Magistratsweg in Berlin-Spandau.
Der Busfahrer, der bereits beim Verlassen seines Busses äußerst unwillig wirkte, klappte die Rampe an der hinteren Einstiegstür um. Ich stand vor der steilen Rampe und bat den Busfahrer, mich hinaufzuschieben. Der stellte sich hinter mich, packte meine Schultern, statt die Schiebegriffe zu benutzen, und schubste mich, mehr als er schob, mit einer äußerst groben, schmerzhaften Bewegung in den Bus. Als ich die rücksichtslose Behandlung beklagte, stand er mit dem Widerhaken in der Hand vor mir und sagte patzig. „Dann musste deinen Rücken nach vorne beugen.“ Ich verwahrte mich gegen das Duzen und hörte nur. „Eigentlich sagt man Dankeschön“
Da Busfahrer nicht verpflichtet sind, ihren Namen zu nennen, war die Frage danach von vornherein sinnlos.
Ich beschwere mich daher auf diesem Weg über das Verhalten dieses Fahrers und erwarte, dass Sie dem Vorgang nachgehen.
Im Übrigen ist das geschilderte Verhalten in seiner Ausprägung zwar ein Extremfall. Es steht aber in einer Reihe von Vorfällen, die mich und andere Rollstuhlfahrer immer wieder belästigen, teils sogar demütigen. Am selben Tag fragte mich vormittags der Fahrer des TXL auf dem Weg vom Alex zur Friedrichstraße: „Wo will der Rollstuhl raus?“
Vor einigen Wochen bat ich in Treptow einen Fahrer um Hilfe beim Einstieg. Der fragte mich nur: „Könnse nicht einfach was abnehmen?“
Regelmäßig erlebe ich Busfahrer, die nur mit äußerstem Unwillen bereit sind, Hilfe beim Einstieg zu leisten. Gerade für Rollstuhlfahrer, die allein unterwegs sind, ist die Rampe für den selbständigen Einstieg oftmals zu steil. Häufig sind Äußerungen von Fahrern zu hören, wie „Ist nicht meine Aufgabe, zu helfen“, oder: „Ausnahmsweise“, oder: “Eigentlich nicht.“
Ich bitte Sie um Auskunft, ob es einem Busfahrer möglich ist, die an sich zumutbare Hilfe beim Hochfahren der Rampe zu verweigern. Falls dem so ist, erwarte ich Auskunft darüber, wie man Ihrer Ansicht nach mit dem Rollstuhl eine Rampe überwinden soll, die oftmals die 6% DIN Norm deutlich überschreitet.
Insgesamt vermittelt mir das hier geschilderte Verhalten der Fahrer, im Zusammenwirken mit den baulichen Barrieren, den Eindruck, lediglich geduldeter Fahrgast 2. Klasse zu sein.
Ihre Antwort gespannt erwartend, grüße ich Sie freundlich.
Ende der Blog-Ruhe!
Fast hätte ich Entzugserscheinungen bekommen, so sehr hat mir mein täglich dashboard gefehlt. Nach drei Wochen Bettruhe, einer Druckstelle wegen, hat mich seit gestern der Alltag wieder. Vermisst habe ich nicht nur das Bloggen, sondern auch das Biken. Bei einer Fahrt durch die Stadt, heute Vormittag, waren die blauen Wegmarkierungen für die Teilnehmer des Marathons vom vergangenen Wochenende nur noch blass zu sehen. Statt mitzufahren, habe ich das Geschehen wehmütig auf der Mattscheibe verfolgt. Einzig realer Bezug: Besuch von zwei Schweizer Marathoni, die mit ihren Bikes ein tolles Rennen fuhren.
Dass es nun munter weitergeht, entnehmt ihr gleich dem nächsten Beitrag
Mit dem Handbike auf dem Mauerweg
Seit neun Jahren wohne ich am Kollwitzplatz im Prenzlauer Berg. Ein quirliges Viertel, allerdings mit einem deutlichen Überhang an Kinderwagen und Kneipen. Letztere führen dazu, das die Kondition leidet. Die Bewegungsmöglichkeiten für Rollstuhlfahrer sind zudem eingeschränkt. Viele Bürgersteige sind seit den 50er Jahren nicht mehr repariert worden und machen eine Spazierfahrt zum Stresstrip.
Ich bin dringend auf regelmäßige Bewegung angewiesen, wenn ich mich nicht völlig blamieren oder auf der Bahn einen Kreislaufkollaps kriegen will. Einmal Jahr fahre ich den Berlin-Marathon mit meinem Handbike. Ich brauche zweimal in der Woche ein regelmäßiges Training auf einer geraden Strecke, auf der bis zu 30km/h erreicht werden kann, ohne Fußgänger zu gefährden. Das bedeutete bisher: Handbike ins Auto packen, zum Kronprinzessinnenweg nach Zehlendorf. Handbike auspacken, 2 Stunden fahren. Einschließlich Rückfahrt, eine Veranstaltung von vier Stunden Dauer.
Kürzlich mit meiner Nachbarin im Aufzug. Ich klage mal wieder über die eingeschränkte Mobilität. Mein Gegenüber schaut mich verständnislos an: „…und was ist mit dem Mauerweg?“ „Mauer…was?“ “ Der Mauerweg!! Fängt 500 m von hier am Mauerpark an und führt 160 Kilometer asphaltiert geradeaus.“ Recht hatte sie und ich hätte auch selbst darauf kommen können…
Das Gespräch ist zwei Wochen her. Gestern bin ich die letzte Etappe von Hennigsdorf nach Staaken gefahren. Ein reiner Erlebnistripp durch einen grünen Gürtel rund um Berlin. Alle paar Hundert Meter muss man innehalten, um sich zu vergegenwärtigen, dass hier früher die Mauer stand und Menschen starben. Allein auf der Bernauer Straße, die quasi vor meiner Haustür liegt, starben zwischen dem 22. und 30. August 1961 drei Menschen beim Sprung aus dem Fenster.
Die erste Tour rund dem Mauerweg bin ich mit Pulsuhr gefahren, um meinen Trainingsrückstand aufzuholen. Beim nächsten Mal werde ich langsamer fahren und Zeit haben für Menschen auf dem Mauerweg.
Ein Abend im BE (Berliner Ensemble)
Samstag 17.00 Ein Besuch hat abgesagt. Kein Problem. Berlin ist eine Weltstadt. Langweilig wird es schon nicht. Ich gehe auf www. berlin.de und gucke, was die Bühnen zu bieten haben. Im Gorki Theater läuft eine Bearbeitung von Bernward Vesper „Die Reise“. Das Tagebuch des Will Vesper-Sohnes und Gudrun Ensslin-Gatten, der sich nach einem rastlosen Reise-Schreib-und Drogenexzess 1971 das Leben genommen hat. Das Buch hat mich ungeheuer inspiriert beim meinem autobiografischen Buch „Du kannst mir nicht in die Augen sehen“, zehn Jahre später. Das Stück muss ich sehen. Anruf an der Theaterkasse. Es gibt noch Karten. Auf meine Frage,“ ist ihr Haus rollstuhlzugänglich?“ folgt ein klares Ja. Nach kurzem zögern fragt die Frau am Telefon,“ ist das für heute, mit dem Rollstuhl?“ Ich bejahe. „Das geht nicht. Der Rollstuhl muss drei Tage vorher angemeldet werden“, sagt sie barsch. Mein Einwand, dass sie mir eben noch eine Karte verkaufen wollte, zählt nicht. Weiterlesen
Kein Flug nach LA
Mein Freund Mustafa aus Jenin, Palästina, hat ein Stipendium an der University of Cal. in Los Angeles bekommen. Die Nachricht elektrisiert mich. Wir haben uns vor zwei Jahren in Herdecke kennengelernt, wo er einen Forschungsauftrag an der Uni Witten-Herdecke hatte.
Seither haben wir nur gemailt und über skype Kontakt gehabt. Zeit, sich mal wieder zu sehen.
Nach Palästina zu reisen, ist es umständlicher, als nach Los Angeles. Im Nahen Osten gibt es keine Auto für Rollstuhlfahrer, Also bin ich auf Taxen angewiesen. Der Flug dorthin geht über Amman. Das bedeutet zweimal umsteigen. Auch kompliziert. Ich bin deshalb immer mit dem Auto in den Nahen Osten gefahren. Aber seit 2001 gibt es keine Schiffsverbindung mehr, ab Piräus. Also: 1 Woche im Auto. Soviel Zeit hatte ich in den letzten Jahren nicht.
Nach LA hingegen gibt es non stop Flüge und in den USA kann ich mir die behindertengerechte Zusatzausrüstung sogar aussuchen. „Handcontroll left, or right?“ ist die routinierte Frage des Autovermieters. Die Flüge sind günstig, ab 460€ kommt man hin und zurück. Da ich beim Internetbuchen nicht eingeben kann, dass ich Rollstuhlfahrer bin, fahre ich nach Tegel, um meinen Reiseplan voranzutreiben. Weiterlesen
-
Archiv
- August 2014 (2)
- Juli 2014 (2)
- Oktober 2013 (1)
- Mai 2013 (2)
- Juni 2011 (1)
- November 2009 (1)
- Oktober 2009 (5)
- September 2009 (9)
- August 2009 (15)
- Juli 2009 (8)
- Juni 2009 (2)
-
Kategorien
-
RSS
Entries RSS
Comments RSS