Leistung statt Leiden – Interview mit Marianne Buggenhagen
In einem Alter, in dem andere an den Vorruhestand denken, hat sich Deutschlands erfolgreichste behinderte Sportlerin für die Leichtathletik WM der Behinderten im November in Indien qualifiziert.
Viermal die Woche trainiert sie hart. „Damit habe ich meine Trainingseinheiten halbiert“, so Buggenhagen.
Wann kommt ein Leistungssportler in die Versuchung zu dopen?
Wenn er 2/10 Sekunden von seinem Bestwert entfernt ist und wenn er von Sponsoren abhängig ist, die diese Leistung honorieren.
Wie verbreitet ist Doping im Behindertensport?
Kaum. Wir bekommen fast keine Unterstützung, haben kaum Sponsoren. Wir sind fast alle berufstätig .Wir müssen arbeiten, um unseren Sport treiben zu können.
Nochmal: Wird im Behindertensport gedopt?
Ich sage: Nein, zumindest nicht in Deutschland! Es ist mir nur ein Fall bekannt. In Peking ist ein deutscher Basketballer positiv getestet worden, weil er Haarwuchsmittel genommen hatte und nicht wusste, dass das auf der Verbotsliste stand. Der wurde dann nach Hause geschickt. Dass ist der einzige Fall, der mir bekannt ist.
Sie sitzen seit 23 Jahren im Rollstuhl. Sie haben mit der Behinderung sofort weiter Leistungssport betrieben…
Ich war vor meiner Schädigung Leistungssportlerin. Ich habe Volleyball gespielt, denn ich habe eine lichte Höhe von 1,90 m. „Einmal Sportler, immer Sportler“, heißt es. Ich habe weiter gemacht, weil ich mich messen wollte mit anderen. Vor allem aber, ich wollte durch meinen Sport die Welt sehen und kennenlernen. Zu DDR- Zeiten ist mir das versagt geblieben, weil wir als behinderte Sportler an internationalen Wettkämpfen im Westen nicht teilnehmen durften. Ich war nur zweimal in Wien bei Wettkämpfen dabei.
1990 ging es dann richtig los mit den ersten Weltspielen der Behinderten in Assen. Ab da war ich süchtig, süchtig nach Erfolg und nach Leistung.
Wie unterschied sich Sportförderung in der DDR von der, die sie heute erleben?
Zu DDR-Zeiten hatten wir auch unsere Meisterschaften. Es waren 70-80 Rollstuhlfahrer, die an den Meisterschaften teilgenommen haben. Wenn ich heute an Deutschen Meisterschaften teilnehme, dann sind es 20 Teilnehmer. Wenn ich zu DDR-Zeiten zu einem Trainingslager gefahren bin, habe ich 15 Mark bezahlt, heute kostetet mich die gleiche Veranstaltung 500€. Das kann sich nicht jeder leisten. Ich finde, es ist schwieriger geworden, teilzunehmen, weil alles immer gleich Geld kostet. Wir haben natürlich viel gewonnen seit der Wende. Die Rollstühle sind besser geworden. Die Hilfsmittel, dass ist alles deutlich besser als damals.
Wie hat sich die Wahrnehmung des behinderten Sportlers in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren verändert?
1992 habe ich an den ersten Paralympics in Barcelona teilgenommen. Das hat, glaube ich, niemand registriert, weil fast nicht berichtet wurde. In Sydney, 2000, war es das erste Mal, dass der Sport eine Rolle spielte und nicht die Behinderung. Früher hieß es, wenn überhaupt berichtet wurde,“ …und trotz eines Beinverlustes hat er diese Leistung erbracht.“ In Peking hingegen ging es um sportliche Ergebnisse. Das ist doch das, was wir wollen. Das wollen doch auch die Leute sehen. Es wird viel breiter berichtet heute. Das Interesse ist einfach stärker, weil es um Wettkämpfe geht und nicht um Behinderte. Ich sehe es doch auch an mir selber. Ich werde angesprochen von fremden Menschen, die mich aus den Medien kennen. Als Sportlerin habe ich inzwischen einen Namen durch die Medien bekommen und das hilft mir, Unterstützer zu finden.
Eine grundsätzliche Frage. Warum gibt es eigentlich diese strenge Trennung zwischen dem Sport von Nichtbehinderten und Behinderten-Sport? Warum finden nicht gemeinsame Veranstaltungen statt?
Das ist sience fiction, was Sie da ansprechen. Ich denke, wir wären schon einen großen Schritt weiter, wenn ich als Leichtathletin Mitglied im Deutschen Leichtathletik Verband sein könnte oder etwa die Schwimmer im Schwimmverband. Aber da sperren sich die Verbände
Was sind die Gründe?
Keine Ahnung. Sind es nichtbehinderte Funktionäre, die Angst vor Behinderten haben? Geht es ums Geld, weil der Etat dann auch für Einrichtungen des Sports Behinderter belastet würde? Ich weiß es nicht. Ich finde es nur schade, dass da kein gemeinsamer Weg gefunden wird.
„Olympische Spiele für Alle“- das werde ich sicher nicht mehr erleben.
„Nie für möglich gehalten“-Besuch bei Marianne Buggenhagen
Sieben Goldmedaillen bei Olympischen Spielen, elf Weltmeistertitel, rund 170 nationale Titel. 1994 Sportlerin des Jahres. Das sind die Meilensteine der Sportlerinnenkarriere von Marianne Buggenhagen.
Sie war als Gast angekündigt bei der Talkreihe von Wolfgang Thierse, „Thierse trifft…“ in der Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg . Ich las die Stichworte : „DDR, Sportlerin“, ergänzte:“Doping“- und hatte keine Lust mehr. Ich weiß nicht mehr, was den Ausschlag gab. Aber trotz des schönen Wetters, saß ich irgendwann im Saal und hörte zu.
Die Buggenhagen überraschte mich. Sie nahm kein Blatt vor den Mund: „Die Tatsache, dass ich im Rollstuhl sitze, ist nebensächlich. Was mich wirklich einschränkt, ist die Inkontinenz.“ Wer öffentlich solche Sätze sagt, den will ich kennenlernen!
Nach der Veranstaltung sprach ich die unkomplizierte Frau an und bekam prompt einen Termin in ihrem Bernauer Einfamilienhaus. Das Gespräch mit Marianne Buggenhagen folgt in Kürze an dieser Stelle.
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